Zu Besuch bei Jörn Kengelbach

Jörn Kengelbach ist das, was man einen Tausendsassa nennt. Seine berufliche Laufbahn führte ihn von der Architektur schnell in die Medienwelt. Sein Themenspektrum umfasst dabei unterschiedliche Bereiche im Luxussegment. Wir besuchten ihn in seiner Hamburger Wohnung. 

Interview

Jörn Kengelbach ist das, was man einen Tausendsasser nennt. Seine berufliche Laufbahn führte ihn von der Architektur schnell in die Medienwelt. Sein Themenspektrum umfasst dabei unterschiedliche Bereiche im Luxussegment wie beispielsweise Uhren, Technik, Automobil und Interieur. Er schrieb jahrelang für „GQ“, arbeitete als Uhrenexperte für die „Welt“ und als Chefredakteur für namhafte Magazine. Wir trafen Jörn Kengelbach in seiner Hamburger Wohnung zu einem persönlichen Austausch über Leben, Wohnen, Perspektiven und die Fragen der Zeit.

Freifrau: Lieber Jörn, Du bist vielen als Chefredakteur im Interior- & Luxusbereich bekannt. Was einige nicht wissen, Du bist auch gelernter Architekt. Was macht gutes Design für Dich aus?

Jörn Kengelbach: Um es salopp zu formulieren: der wichtigste Gradmesser für gutes Wohnen ist und bleibt immer der eigene „Popometer“. Du kannst Dich in die schönste Wohnung der Welt begeben, aber wenn die Couch nur 3 cm zu tief ist, wirst Du das Gefühl haben, irgendetwas stimmt nicht. Und das ist ein entscheidender Faktor den man auf professionellen Werbe- oder PR-Fotos nicht sieht. In der oberflächlichen Darstellung ist vieles „gutes Design“, aber erst in der Nutzung erkennt man den wahren Wert.

Du wohnst hier in einem Maisonette-Penthouse in der Hamburger Innenstadt. Wie kamst Du zu diesem Objekt? War ein Penthouse schon immer Dein Traum?

Um ehrlich zu sein, glaube ich, dass diese Wohnung aus der Verpflichtung von Städteplanern heraus entwickelt worden ist. Es gibt diverse Bestimmungen, dass in einem Gebiet, in dem eigentlich nur Büros und Geschäftsräume anzufinden sind, mindestens 20% der Flächen auch als Wohnraum genutzt werden müssen. Und was macht man da in der Regel? Man baut halt schnell eine Wohnung und vermietet sie teuer an irgendwelche Singles, Anwälte oder sonst jemanden. Nichts, was für ständiges Bewohnen gemacht wäre und so ist diese Wohnung auch geschnitten: es gibt hier diese super offene Küche, die an das riesige Wohnzimmer anschließt. Am Ende fragt man sich, wie man das jetzt nur möblieren soll... Interessanterweise ist Freifrau wirklich für mich der Schlüssel gewesen, dass das nun endlich funktioniert. Weil diese Möbel eben alles können. Du kannst hier auf den Freifrau Barsesseln am Küchentresen wie an einem Schreibtisch arbeiten, gleichzeitig ein Buch lesen oder eine Netflix-Serie schauen, Du kannst Gäste empfangen und Du hast eine ausgewogene Mischung aus Funktionalität, Gemütlichkeit und Optik.

Du bist Architekt, du bist Journalist, Du bist weltbereist und ein Junge von der Nordsee. Wer bist du zuhause?

Ich bin zuhause der, der ich auch im Job bin, nur schlimmer... Ein Ultra-Perfektionist. Und aus dem Blickwinkel eines Perfektionisten auf die Themen Interior & Design, ist eigentlich nie alles richtig, sondern alles eben nur „fast perfekt“. Durch das viele Reisen und die damit einhergehende Heimatlosigkeit eines Reisenden bin ich auf eine Heimat eingestellt, die das Prinzip des Hotelzimmers kennt. Das Prinzip nachdem ich einen perfekten Raum vorgegeben bekomme, den ich eine Zeit lang benutzen kann, um dann in den nächsten Raum zu wechseln. Das hat sich natürlich auch in mein persönliches Gestaltungsprinzip eingeschlichen. Hotelzimmer sind in der Regel nicht weiß. Inzwischen kann ich weiße Wände auch gar nicht mehr ertragen. Ich brauche farbige Wände oder zumindest dunkle Wände – eben etwas, das Reize minimiert.

Anders als viele andere Perfektionisten folge ich aber nicht einem Stil, sondern versuche durch das Wohnen oder die Art wie ich wohne, herauszuarbeiten, wer ich bin.

Stellen wir uns ein Morgen vor, in dem vielleicht das „Klassische Zuhause“, fiktiv gesprochen, keine Notwendigkeit oder kein Usus mehr ist... Wie kann man sich dann das Gefühl von Zuhause erhalten?

Ich glaube, „zuhause“ muss an verschiedenen Orten verschiedene Ausdrucksformen der Lebensführung haben, ähnlich wie bei Freundschaften. Bei dem einen verhält man sich so, bei dem anderen verhält man sich so. Trotzdem bleibt man ja immerzu derselbe Mensch. Das ist auch gut so, weil das Teil der Persönlichkeit ist. Menschliches Zusammenleben funktioniert in der Regel nach individuellen Verhalten und nicht nach strikten Prinzipien.

In der Architektur wird das ja immer so schön beschrieben als „Genius Loci“ zu deutsch „Der Geist des Ortes“. Es geht darum den Ort zu erfassen. Das kann man aber auch auf Familie und Freunde übertragen. In München habe ich ja andere Freunde als in Hamburg – das erzeugt ein ganz anderes Klima. Und diese Dinge spielen genau hier mit rein. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir uns nicht vorstellen können, dass vielleicht schon in 100 Jahren Hotelzimmer das normale Wohnen ersetzen werden. So wie man sich vor 20 Jahren nicht hätte vorstellen können, dass ein geteiltes Auto überhaupt nur denkbar ist, glaube ich, dass bei den zunehmenden Immobilienpreisen und der zunehmenden Verknappung von städtischem Wohnraum in 20 Jahren das geteilte Zuhause und das Zuhause auf Zeit die völlige Normalität sein wird. Oder zumindest von allen als normal akzeptiert wird. Und das hat massive Auswirkungen darauf, wie wir uns natürlich in diesem neuen Zuhause einrichten werden. Auch Interior wird zum „geteilten Gut“ und kann uns dennoch das Gefühl von zuhause vermitteln, wenn es gut gemacht ist und zu uns passt.

Sprechen wir nochmals über deine Wohnung in Hamburg. Was ist hier der Genius Loci?

Meine Wohnung in Hamburg ist subtil – von der Träumerei heraus, dass Hamburg für mich immer eine Hafenstadt war – von Wasser inspiriert. Wissentlich, dass genau dieses Wasser in der Stadt eigentlich nie, außer an der Alster oder am Hafen, sichtbar ist.

Für mich ist es ein wichtiger Aspekt gewesen, zu wissen, dass ich hier fast am Meer wohne, auch wenn ich es nicht sehe. Daher war mir sehr wichtig, das Element Wasser in meine Raumgestaltung mit einzubauen und dadurch aus diesem Steinmeer auszubrechen. In Hamburg sagt man „gibt es Schwäne und Kräne“. Es gibt da die Leute, die an der Alster leben und sozusagen immer bei den Schwänen am Wasser sein wollen und andererseits die Menschen, die Kräne aka Urbanität sehen wollen.

In meiner Wohnung habe ich beides. Ich arbeite mit Farben, Naturbezug spielt eine große Rolle bei der Wahl meiner Kunst und Wohnaccessoires. Wenn man sich die Zeit nimmt, seine Umgebung zu analysieren, können auch Gegensätze miteinander harmonieren... So auch Maritimes und Urbanes in meinem Fall!

In München hast Du Eigentum, hier in Hamburg lebst Du zur Miete. Wieviel Zeit und Geld sollte man Deiner Meinung nach überhaupt in eine Mietwohnung investieren?

In dem Moment, in dem ich irgendwo einziehe, egal ob zur Miete oder als Eigentum, würde ich alles Geld der Welt in die Hand nehmen, um aus dem Wohnobjekt, das Bestmögliche herauszuarbeiten. Ganz ehrlich: Wie viele Jahre möchte ich denn eigentlich in einem Provisorium leben? Aus einem Jahr werden schnell zwei, aus zwei werden fünf und dann ist man plötzlich zehn Jahre dort und hat immer gesagt “später mach ich das mal”....

Vorausgesetzt die finanziellen Mittel sind vorhanden, würde ich immer davon abraten, sich provisorische Möbel zu kaufen. Im Bereich Einrichtung sollte man nachhaltig vorgehen. Nachhaltig nicht im direkt ökologischen Sinne gemeint, sondern im Sinne der Wertschöpfung und Langlebigkeit. Was hat man denn im schlimmsten Fall? Eine Sammlung toller Möbel, die man allesamt liebt und die man alle schätzen gelernt hat. Und genau diese nimmt man halt dann einfach auch gerne wieder mit oder vererbt sie eines Tages.

 

Wo ist der Ort, an dem du zuhause am liebsten arbeitest?

Das kann ich gut beantworten. Es ist tatsächlich in dem Fall mein Schlafzimmer. Leute neigen dazu, ihren Arbeitsplatz immer irgendwohin zu schieben. Als Provisorium, weil zuhause ja eigentlich nicht gearbeitet wird. Ich kann den Playboy-Gründer Hugh Hefner gut verstehen, der ja aus seinem Bett gar nicht mehr ausgestiegen ist. Und das nicht wegen der Frauen, sondern wegen der Tatsache, dass er sich ein riesiges rundes Bett als Arbeitsplatz einrichten ließ.

Mit dem Bett verbinden wir automatisch Ruhe. Innere Ruhe. Dort nehmen wir automatisch eine lockere Haltung ein und sind entspannt. Zudem glaube ich, dass es stark auf die Einstellung an sich zur Arbeit ankommt. Wenn Deine Arbeit Deine Leidenschaft ist, ist das Bett meiner Meinung nach der perfekte Ort, um effektiv und kreativ zu sein.

Wo in der Wohnung endet eine Dinner-Party bei Dir?

Die endet natürlich – wie bei den meisten – in der Küche. Meine neuen Freifrau Sessel und Barhocker sind der beste Beleg dafür, dass die Küche lebt und das klassische Wohnzimmer eher schwierig ist....

Es ist ja psychologisch erwiesen: In dem Moment, in dem man auf niedrigen Möbeln sitzt, entsteht bei vielen Leuten ein Ermüdungseffekt. Das heißt, die Aufmerksamkeit ist nicht mehr da, sie werden schläfrig. Gerade wenn Gäste einen langen Arbeitstag hatten, ist tiefes Sitzen nach dem Dinner der gesellschaftliche Tot....

Ein hochgestellter Kommunikationsspot, das Stehen an sich, das kommunikative Vorbeigehen schaffen Interaktion und halten den Geist wach. “Im Gehen kommen mir die besten Gedanken“ sagte schon der berühmte Philosoph Aristoteles zu seinen Schülern und so sind Barhocker, die wie Stühle funktionieren, im Küchenbereich zurecht en vogue und durchaus sinnvoll.

Ungewöhnlich für deine Wohnung, die in einem Haus voller Büros ist, ist der Kamin. Wie oft wird Feuer gemacht?

Inzwischen richtig viel! Ein Kamin ist immer wunderschön und zudem ein echter Blickfang. Beim Einzug hatte er aber noch keinen Glasschutz und als ich ihn zum ersten Mal angemacht hatte, bin ich fast ausgeräuchert worden. Zum Glück habe ich dann ziemlich schnell eine Glastür einbauen lassen und seither nutze ihn jetzt wirklich oft, sehr oft! Einen Show-Kamin zu haben, ohne ihn nutzen zu können, halte ich für Schwachsinn, zeigt aber die enorme psychologische Bedeutung einer Feuerstelle im Haus Wenn bei mir abends der Kamin an ist, gibt es nichts anderes mehr... Er bringt den ultimativen Entspannungsmoment. Auch wenn Gäste kommen und sagen „ich bleibe nur kurz auf ein Glas Wein“ habe ich die Erfahrung gemacht, dass der Kamin dazu führt, aus dem einen Glas Wein ein ganzes Abenderlebnis zu machen. Das ist mehr wert als jede Show....

Wie siehst du die Zukunft des Interior Designs?

Aus dem Momentum ständig wechselnder Lebensfelder ohne klassische Familien und den immer teurer werdenden Wohnraum werden wir in diesem Bereich glaube ich eine Bewegung hin zu den Extremen erleben. Ich tippe im Mainstream auf einen neuen Minimalismus, ähnlich wie wir ihn in den 90er Jahren schon einmal hatten. Wir werden die Verhältnisse in japanischen Großstädten bekommen, in denen die multifunktionale Nutzung von Räumen oberste Priorität besitzt, gleichzeitig werden diese Räume multimedial mehr können als jeder Fernseher. Gleichzeitig wird es auch wirklich neue Lösungen geben: Ich denke da an unters Waschbecken geschobene Toiletten und sonstige Raumwunder. Alles wird dann zu 100% optimiert sein, angepasst auf hohe Effizienz und verlangt nach gestalterischer Ausarbeitung. Zeitgleich werden wir aber auch noch viel stärker individualisiertes Wohnen erleben. Jede Facette der Persönlichkeit soll in den eigenen vier Wänden glänzen. Auch in den Freifrau Designs erkenne ich viele Atavismen. Gut gemacht, schließen sich das Hochmoderne und das Altbewährte sich eben nicht aus. Es geht um die Fusion aus Handwerkskunst und innovativen Technologien. Wo hier beides Hand-in-Hand geht, werden die Klassiker der Zukunft geboren.

Vielen Dank für das Gespräch, lieber Jörn!

Gern geschehen. Ich setz mich dann mal wieder an meinen Allrounder-Tresen zum Lesen (lacht).