Zu Besuch bei Andreas Hanitsch im Waterworks Falkenstein

Am Hamburger Elbufer liegt das alte Wasserwerk Altona. Vor knapp 6 Jahren wurde es ausgeschrieben zum Verkauf - Hotellerie- und Gastronomie-Konzepte waren gleich ausgeschlossen. Andreas Hanitsch hat sich mit seinem Konzept durchgesetzt und den Zuschlag bekommen. Wir sprachen mit ihm über das Projekt und brachten ein paar Möbel mit. 

INTERVIEW

Andreas Hanitsch saß gerade mit seiner Familie auf einer Dachterrasse in Tarifa als ein Freund ihm vom Verkauf des alten Wasserwerks am Falkensteiner Ufer in Hamburg erzählte. Dass er ein Angebot machen würde, war dem Immobilienentwickler schnell klar – die nächsten drei Tage verbrachte er genau auf dieser Dachterrasse, um ein Konzept auszuarbeiten, mit dem er die Verkäuferin überzeugen konnte. Heute ist die Anlage um das Wasserwerk nicht nur das Zuhause von Andreas Hanitsch – das Gelände mit seinen verschiedenen Häusern ist zu einem kleinen Dorf gewachsen, in dem man sich begegnet. Sein mehr als 400 m2 großes Loft hat Andreas Hanitsch gemeinsam mit Architekt Giorgio Gullotta so eingerichtet, wie wir ihn erlebt haben: authentisch, weltoffen und zugewandt.  

Freifrau: Lieber Andreas, das Wasserwerk sieht schon von außen nach einem wahnsinnig aufwendigen Projekt aus, man erkennt die Detailverliebtheit sofort. Bist du Autodidakt oder hast du einen passenden beruflichen Background? 

Andreas Hanitsch: Jein. Ursprünglich habe ich Betriebswirtschaft und Kunstgeschichte studiert. Neben meinem Studium und später Beruf habe ich mich sehr viel mit Architektur beschäftigt und damit mein Hobby zum Beruf gemacht - ich entwickle für mein Leben gerne Immobilien. Das ist aber nicht meine einzige Beschäftigung: Ich investiere auch in junge Unternehmen und betreue diese als Business Angel und bin viel auf Reisen. Hier vermischen sich für mich Freizeit und Beruf, da ich von überall arbeiten kann. Das ist das Schöne und das ist auch der Luxus, den ich mir erlauben kann: viel Zeit zu haben, um mich inspirieren zu lassen und daraus wieder neue Projekte zu entwickeln.

Gibt es ein bestimmtes Reiseziel, das dich besonders inspiriert?

Für mich gibt es nicht das eine Ziel. Ich reise gerne in Metropolen, in denen das Leben brodelt. Wenn diese dann noch in der Nähe von Wasser liegen, ist es umso besser. Wenn ich reise, dann bleibe ich gerne für mehrere Monate am Stück in einer Stadt oder einem Land. Das habe ich auch viel mit meiner Familie gemacht. So zum Beispiel in Tansania und in Marokko, aber ich habe auch in Vancouver, New York und Rio gelebt. Ich liebe den Wandel und suche überall Inspiration. 

Hast du an diesen Orten immer auch weitergearbeitet?

Tatsächlich ja. Für meine Geschäftspartner bin ich dabei immer erreichbar, sodass bei niemandem das Gefühl aufkommt, ich sei ein Dauerurlauber. Auf Reisen kann man arbeiten. Dass sich mein Job von überall erledigen lässt, habe ich immer als große Chance für mich gesehen und genutzt.

In der Mediathek des NDR gibt es eine Dokumentation (hier klicken um zur Doku zu gelangen), in der du während einer Zeit der Sanierung des Wasserwerks begleitet wirst. Du sagst dort, dass du nur drei Tage Zeit hattest, ein Kaufangebot abzugeben. Wieso warst du dir so schnell so sicher?

Ich saß mit meiner Familie auf einer Dachterrasse in Tarifa. Da rief mich ein Freund aus Hamburg an, der mich auf die Ausschreibung des Wasserwerks aufmerksam machte. Ich kannte das Gelände nicht und war vorher auch nie hier gewesen. Meine Spaziergänge endeten bis dahin immer im Treppenviertel. Als mir dieser Freund dann Fotos schickte, hatte ich gleich das Gefühl, dass ich mir das nicht entgehen lassen konnte. Ich habe dann Architekten losgeschickt, die sich die Häuser anschauten und weitere Fotos machten, habe mit dem Bauamt und mit dem Denkmalschutz telefoniert. Der nächste Schritt war dann ein Konzept zu erstellen und ein Preisangebot abzugeben. Das Konzept war nicht ganz unwesentlich, denn es wurde z.B. schon bald ausgeschlossen, hier eine Gastronomie oder ein Hotel zu betreiben. Wir sind dann freitags zurückgeflogen und ich habe noch an dem Abend meine Angebotsunterlagen eingeworfen. Am Samstagmorgen sind wir direkt zum Gelände gefahren und haben uns umgesehen. Spätestens da war mir klar, dass ich alles richtig gemacht hatte. 

Was beinhaltete das Konzept, mit dem Du letztlich den Zuschlag bekamst?

Zur Anlage des Wasserwerks gehört noch ein sehr, sehr großes Strandgrundstück an der Elbe. Im Wesentlichen ging es darum, was man mit dem Grundstück dort macht. Wir hatten viele interessante Ansätze - letzten Endes habe ich mich aber dafür entschieden, 2/3 des Grundstücks an die Stadt zurückzugeben, sodass der vorhandene Park erweitert werden konnte. Ich glaube, dass es einfach nicht mehr in die Zeit passt, eigentlich öffentliche Uferzugänge privat zu blockieren.

Das ist ein sehr moderner und gemeinschaftlicher Gedanke!

Das Teilen ist hier eine wichtige Grundidee. Für mich ist das Gelände des Wasserwerks eine Gemeinschaft, in der sehr unterschiedliche Menschen zusammenleben und in der man eine Nachbarschaft pflegt. Es geht nicht nur darum, dass man schön wohnt – das tut hier jeder auf seine Art –, es geht darum, dass man Zeit miteinander verbringt. 

Wie sind die Gebäude eigentlich entstanden? 

Das Ensemble ist seit 1859 entstanden – nach und nach. Gebaut von britischen Ingenieuren, die den Deutschen damals in der Wasserwirtschaft weit voraus waren. Eigentlich sind sie hergekommen um ein Gasnetz aufzubauen und haben dann bemerkt, dass die Wasserversorgung noch sehr schlecht war und man das Wasser ungefiltert aus Alster und Elbe trank. So kam der Vorschlag, erst einmal ein gescheites Trinkwassernetz aufzubauen. Das passierte hier in Altona, das zu der Zeit noch eine eigenständige Stadt war. Wegen des geklärten Wassers kam Altona dann auch gesund durch die Cholera-Zeit, während in Hamburg viele Menschen daran starben.

Die Wohnhalle hier in Deinem Loft ist wunderbar luftig und groß. Man kann sich fast darin verlieren. Was ist dir besonders wichtig, wenn es ums Wohnen geht?

Damit ich mich wohlfühlen kann, brauche ich Bewegungsmöglichkeiten. Für mich ist es ganz wichtig – zumal ich von zuhause auch viel arbeite oder hier Geschäftsfreunde empfange – dass ich mich den ganzen Tag durch die Halle bewegen kann. Ich habe verschiedene Sitzplätze innen wie außen mit ganz verschiedenen Ausblicken und wandere im Laufe des Tages gerne mit der Sonne. Außerdem ist für mich die Kunst, die mich umgibt, wichtig. Viele Dinge – ob Fotografien, Malereien oder Skulpturen –, die ich schon seit vielen Jahren habe und mit denen ich mich gern umgebe, machen das Wohnen für mich sehr angenehm.  

Hört sich nach Dingen an, die vor allem auch einen ideellen Wert haben. Wenn du von jetzt auf gleich gehen müsstest – was würdest du dann mitnehmen? 

Das ist das Verrückte. Ich kann alles zurücklassen. Man könnte mich in irgendein anderes Land verpflanzen – wenn es nicht gerade Nordkorea ist – und ich weiß ich würde überall glücklich werden. Ich glaube, dass der größte Reichtum der ist, den man im Kopf hat. Kreativität, Fantasie, Erinnerungen, ein positiver Geist – das ist für mich neben Familie und Freunden das Wichtigste. Und wenn man das hat, ist das wertvoller als alles Materielle. Damit kann man überall starten. 

Wenn man sich hier im Haus umsieht, erkennt man, dass du keinem starren Einrichtungskonzept folgst. Wie fällt bei dir die Wahl auf die verschiedenen Dinge, mit denen du dich einrichtest?

Für mich ist wichtig, dass das was man hier sieht, authentisch ist. Ich mag keine Nachbauten, keine reine Effekthascherei. Ich mag die Kombination von Alt und Neu – muss mich aber auch mit jedem einzelnen Stück hier identifizieren können. Das reicht für mich von einer schlichten Schaukel bis hin zu einem Chaiselongue aus einem alten Theater oder einer LeCorbusier-Liege, die ich in Frankreich ersteigert habe. Das Besondere suche ich lieber etwas länger, bis ich wirklich das Gefühl habe, das etwas ganz genau zu mir und den Räumen passt.

Was spricht dich an? Was ist gutes Design für dich?

Gutes Design bleibt in Erinnerung und hat einen Gebrauchswert. Für mich persönlich ist Design gut, wenn ich es nicht an jeder Ecke finde und es idealerweise einzigartig ist. Wenn die Dinge rar sind und man sich danach verzehrt – dann finde ich das toll. 

Vieles hier hast du auf Märkten und in Auktionen gefunden. Was macht für dich der Reiz von Altem aus?

Ich finde es spannend, Altes und Neues gegenüberzustellen und in Bezug zu setzen. Wir haben ja alle eine Vergangenheit und gleichzeitig sind wir aber in der Gegenwart. Ich mag Kontraste. Gerade in einer alten Maschinenhalle wie dieser hier. Bei alten Dingen versuche ich gerne ihre Geschichte nachzuvollziehen und zu verstehen. Wenn man sich die Mühe gibt, kann man sehr viel aus Archiven, von Zeitzeugen, erfahrenen Händlern und Architekten erfahren und so erzählen dann diese Stücke eines Tages wieder ihre Geschichte. Und wenn sie sie nicht selbst erzählen, dann erfinde ich auch gerne etwas (lacht). Jedes Haus, das ich habe – egal wo – hat immer einen Namen, damit es eine Persönlichkeit bekommt. Hier oberhalb in Blankenese gibt es die Villa Klara aus 1909 – die hatte keinen Namen, hat dann von mir den meiner Großmutter bekommen und alle fühlen sich damit wohl. 

Hast Du einen Lieblingsfund von einem Markt oder einer Auktion? 

Genau genommen ist es die kleine weißblaue Porzellanfigur, die hier auf dem Tisch steht. Ich habe sie vor Jahren in Marseille über Wochen in einer Mauernische stehen gesehen. Es ist ein kleines Mädchen, das eine Katze im Schoß hält, doch der Kopf des Mädchens ist abgebrochen und nicht mehr auffindbar. Die Figur hat mich so angesprochen, weil ich sie mit einem ganz prägenden, persönlichen Verlust verknüpfe. Eines Tages habe ich gedacht: Jetzt gebe ich ihr ein neues Zuhause und heute steht sie hier und wir sprechen über sie. 

Wenn wir Dich nach Einrichtungstipps fragen würden, was würdest Du antworten?

Mutig sein. Eigene Kombinationen finden und sich nicht durch aktuelle Trends im Kopf beschränken lassen. Außerdem: Mut zur Lücke bewahren. In einem neuen Raum anzukommen und erst nach und nach Einrichtung hinzuzufügen ist glaube ich wichtig.

Dazu gehört ja sicher auch ein stetiger Wandel – so richtig fertig ist man doch nie, oder? 

Nein – das stimmt. Im Eingang habe ich ein 7 Meter hohes Entree, in das ich gerade einen Stahlträger habe einbauen lassen, der aussieht, als sei er immer dort gewesen. An diesem Stahlträger ist ein Flaschenzug und die Idee ist, dass ich dort passend zur Saison Dekoration aufhänge. Für den Frühling plane ich ein kleines Birkenwäldchen kopfüber herunterhängen zu lassen. Derzeit baumeln Turnringe aus einer alten Schule in Lissabon herunter – aber es traut sich keiner sie zu benutzen.

 

Lieber Andreas, danke dir vielmals für das interessante Gespräch und das wir – gemeinsam mit ein paar unserer Möbel – bei dir zu Besuch sein durften!